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Aufbruch zu einem anderen Qualitätsverständnis:

1. Badischer Landweinmarkt in Müllheim

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Von Horst Kröber  3937  
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Badische Winzer, die auch gehobene Qualitäten grundsätzlich nur als Landwein anbieten. Von Links: Michael Zimmer und Felix Scherer, die zusammen das Weingut Scherer in Bad Krozingen betreiben; Hanspeter Ziereisen, Weingut Ziereisen in Efringen-Kirchen.Badische Winzer, die auch gehobene Qualitäten grundsätzlich nur als Landwein anbieten. Von Links: Michael Zimmer und Felix Scherer, die zusammen das Weingut Scherer in Bad Krozingen betreiben; Hanspeter Ziereisen, Weingut Ziereisen in Efringen-Kirchen.
„Keine Perfektion, und das auf höchstem Niveau“ lautet die Philosophie vom Weingut Ziereisen aus Efringen-Kirchen. Ein Widerspruch in sich? Wenn man es auf den Wein münzt nicht unbedingt. Das Weingut Ziereisen hat sich wie einige Kollegen aus Baden der Produktion von Landwein verschrieben. Also Weine, die keine Prüfungsnummer brauchen und keiner organoleptischen Probe einer Prüfungskommission unterworfen sind. Das heißt aber nicht, dass diese dann automatisch von schlechterer Qualität sind als Weine mit einer solchen Nummer. Jedoch dürfen solche „Landweine“ bei keiner Landes- oder Bundesweinprämierung angestellt werden und ihnen wird auch an einigen anderen offiziellen Veranstaltungen die Mitwirkung untersagt. Soviel zu den Fakten.
 
Bisher gab es für solche Weine keine Plattform, um sie in größerem Stil zu präsentieren. Dies hat sich nun geändert. Am 28.4. 2017 fand der 1. Landweinmarkt in den Kellerräumen des Landhotels „Alte Post in Müllheim statt. Just an der Stelle, an der die Idee zu dieser Veranstaltung vor genau einem Jahr entstanden ist. Wie heißt es dazu in der Broschüre zu diesem Weinmarkt:
Müssen Landweine schlichte Tropfen sein? Nein! Immer mehr Winzer, auch in Baden, vermarkten ihre Weine als Landwein. Weil sie sich bewusst für diesen Weg entschieden haben. Weil sie leidenschaftlich Wein machen. Weil ihre Vorstellung von Qualität eine andere ist, wie die der Prüfungsbehörde. Weil sie Individualität wollen und keine von Vorschriften eingeschränkte Mainstream-Ware. Diese freien Winzer in Baden haben sich dem Landwein aus voller Überzeugung verschrieben. Alle teilnehmenden Winzer, unter ihnen viele jüngere Kollegen, wollen ihre Produkte nicht in ein Korsett aus Vorschriften für Qualitätsweine pressen lassen. Sie setzen auf die Individualität und den Charakter ihrer Weine – und damit auf ein anderes Qualitätsverständnis abseits konventioneller Regeln.
 
„Wir wollen ein wenig revolutionieren“
Klingt ein wenig revolutionär. Ein leiser Hauch von Heckers Freiheitsphilosophie schwingt bei diesen Aussagen mit. Was verbirgt sich hinter solchen Tropfen und hinter ihren Erzeugern. Um dies herauszufinden, machte ich mich auf den Weg ins schöne Markgräflerland. Als Fachjournalist und Mitglied in vielen Jurys  regionaler, nationaler und internationaler Weinverkostungen, wollte ich mir selbst ein Bild machen.  
 
Überrascht war ich schon über die Resonanz. Es dauerte nicht lange und die Kellerräume der „Alten Post“ waren heillos überfüllt. Die Luft war weingeschwängert und die Raumtemperatur stieg im gleichen Verhältnis an wie die Geräuschkulisse. Nur mit Mühe konnte man sich den Weg zu den einzelnen Ständen bahnen. Eigentlich ein gutes Zeichen was die Resonanz auf dieses Veranstaltung betrifft.
 
14  Winzer präsentierten rund 80 Weine und Sekte. Bewusst (ich sah es  eher als Manko an) hatte man darauf verzichtet, jedem Winzer einen eigenen Stand zuzuordnen. „Wir haben uns absichtlich dagegen entschieden, weil dies ansonsten die Regel ist und wir uns auch dadurch unterscheiden wollten“, so Ziereisen auf meine Nachfrage. So musste man sich notgedrungen mit der Einteilung nach Rebsorten begnügen und wenn man die Kollektion eines Betriebes probieren wollte, leider durch den ganzen Kellerraum kämpfen. Eher unglücklich fand ich auch, dass die betreffenden Winzer nur durch (sofern man sie nicht persönlich kannte) ein Namensschild zu erkennen waren. Hatte man z.B. einen Weißburgunder mit der Nr. 22 im Glas und wollte darüber Infos haben befand sich der betreffende Winzer oft am anderen Ende des Kellers was ein weiteres Durchkämpfen zur Folge hatte. Mit so vielen Leuten habe man nicht gerechnet, gaben sich dann auch die Veranstalter überrascht.
 
Weine sprechen ihre eigene Sprache.
„Die zu verkostenden Weine sind im besten Sinne Produkte leidenschaftlicher Handwerkskunst, keine auf Frucht gestylten Weine aus schnellem Ausbau. Es sind Weine ohne Schminke, die in dieser Form rar in Baden sind“ lautet ein Zitat des Einladungsschreibens. Dazu schreibt Ziereisen in seinem Grußwort: „Viel zu den Weinen muss man nicht erzählen.  Sie sprechen für sich selber, auch wenn man sich vielleicht manchmal an die Sprache gewöhnen muss.“
 
Damit hat er eigentlich schon alles vorweggenommen. Auch wenn der Landwein nicht unbedingt eine Fremdsprache spricht, so schwankt doch die Qualität der Produkte gewaltig. Das geht von gewöhnungsbedürftig bis Spitzenklasse. Da unterscheiden sich Erzeuger und Weine nicht von den „Konventionellen“. Bei manchen  Weinen hatte ich das Gefühl, dass sich das oft so gerühmte „Nichtstun“ was lange Zeit in Biokreisen fröhliche Urständ feierte, mittlerweile aber zum Begriff des „kontrollierten Nichtstun“ deutlich differenzierter geworden ist, auch  bei einigen Produzenten negativ in der Qualität der Weine niedergeschlagen hat. Obwohl es heißt, Zitat:
Qualitativ hochwertigste Trauben. Das bedeutet einen verantwortungsvoller Weinbau und eine aufwändige, intensive (Hand)-Arbeit im Weinberg und bei der Lese.
Keller: Weitestgehender Verzicht auf Manipulationen.
 
Bei Letzterem nehme ich  zu Gunsten der Veranstalter nicht an, dass diese Aussage suggerieren soll, dass im konventionellen Weinbau manipuliert wird, denn wie es weiter heißt: "... betrachten sich die Landwein-Winzer nicht als Konkurrenz zu ihren Qualitätswein-Kollegen, denn die Weinwelt ist groß genug. Dennoch ist der Termin für die Verkostung bewusst gewählt und ein Statement. Die Messe findet am selben Tag statt wie der Müllheimer Weinmarkt, der älteste noch existierende Weinmarkt Badens. Bei seiner Premiere 1872 gab es noch kein Weingesetz im heutigen Sinne. Allein der Geschmack der Besucher entschied über die Qualität der präsentierten Weine."
 
Gegensätze und Gemeinsamkeiten
Dies dürfte auch heute noch der Fall sein, egal ob bei konventionell erzeugten Weinen oder bei Landwein; wobei natürlich auch der Preis wichtig ist für die Kaufentscheidung. Mittlerweile haben  Betriebe wie Ziereisen, Brenneisen oder auch Burkhart, Danner und Nieger einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben, und deren Produkte verfügen über einen gewissen Bekanntheitsgrad weit über die Region hinaus. Und doch möchte ich behaupten, sind die auf diese Weise hergestellten Produkte nur Tropfen auf dem globalen Weinmarkt. Sie besetzen Nischen, ähnlich der „Orange-Wines“ oder „Amphorenweine“ die im Zuge von Bio, und Vegan immer zahlreicher werden. Aber auch hier wird sich im Laufe der Jahre, wie bei den konventionellen auch, die Spreu vom Weizen trennen (und es war noch viel Spreu beim 1. Badischen Landweinmarkt darunter). Nichts desto trotz, war es interessant und ich bereue nicht, mich in die Sprachenvielfalt der Produkte hineinprobiert zu haben.
 
Fazit:
Sollte eine Veranstaltung gleicher Art noch einmal stattfinden, wovon ich ausgehe, dann sollte man sich eine andere Location aussuchen. Es war zu eng, zu warm und zu laut. Auch der Ausstellungsmodus sollte überdacht werden (vielleicht doch besser Winzer und Produkte zusammen) des Überblicks und der Ordnung wegen. Zu guter letzt wünsche ich mir, dass man unterlässt (und dies gilt für beide Seiten), eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. Der Markt bietet Platz für alle. Und ist es nicht das, was wir alle wollen? Vielfalt: aber auf qualitativ hohem Niveau. In diesem Sinne: Prosit und immer einen guten Tropfen im Glas.
 
Teilnehmende Winzer/Weingüter:
Brenneisen (Efringen-Kirchen), Burkhart (Malterdingen), Danner (Durbach), Enderle & Moll (Münchweier), Fendt (Mitteltal), Forgeurac (St. Leon/Kraichgau), Geitlinger (Kandern), Nieger (Baden-Baden), Röschard (Weil am Rhein), Ruser (Lörrach-Tüllingen), Scherer (Bad Krozingen), Vorgrimmler (Freiburg), Wein & Gut (Malterdingen), Ziereisen (Efringen-Kirchen).
 
Autorenartikel: Horst Kröber; Fotos - linkes Foto: Fionn Große; rechtes Foto: Horst Kröber
 
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