Was haben Backpulver und Weinbau miteinander zu tun?
wird zur Schädlingsbekämpfung ausgebracht – völlig harmlos
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Backpulver, wir kennen es alle als Backzutat und Treibmittel. Es zählt zu den Lebensmitteln und ist absolut harmlos. Von seiner Zusammensetzung her ist es ein saures Natrium-Salz der Kohlensäure. Natrium kennen wir ja auch von Kochsalz her, das wir täglich in unseren Speisen spüren.Backpulver schon lange in Anwendung
Die Winzer bringen Backpulver beim Rebenspritzen schon lange aus und bekämpfen damit den echten Mehltau, den die Winzer Oidium nennen. Leider wurde dieser Schadpilz im 19. Jahrhundert aus der neuen Welt nach Europa eingeschleppt und befällt unsere europäischen Reben sehr heftig, weil sie dagegen in keiner Weise resistent oder tolerant sind. So muss man den Pilz bekämpfen, also Pflanzenschutz betreiben. Andernfalls drohen große Ernteausfälle sowie schlechte Weinqualität, weil Muff und Fehltöne im Wein auftreten können, womit auch eine geringe Ernte obendrein unverkäuflich wäre. Leider ist der Pilz inzwischen in ganz Europa verbreitet sowie auch dort, wo europäische Reben angebaut werden.
Kategorisierung geändert
Insbesondere von Bio-Winzern wird Backpulver als harmloses Spritzmittel gerne gegen Oidium verwendet, allerdings nicht allein nur dieses, was zu schön wäre, denn es gibt natürlich noch andere Schädlinge, die man bekämpfen muss.
In den Anfängen des Bio-Weinbaus in 80er Jahren entstanden die ersten Bio-Verbände, in denen sich die Winzer gegenseitig zertifizierten. 1991 kam dann die erste Biowein-Verordnung der EU (der Landwirtschaftsmarkt war ja einer der ersten der – damals noch in der EWG – harmonisiert wurde, und somit bildet Brüssel den obersten Gesetzgeber). Diese Verordnung enthält eine Positivliste, was an Bekämpfungsmitteln für Bio-Weinbau zugelassen ist. Backpulver war erst gar nicht dabei, weil es schlicht als Lebensmittel zählte. Durch eine Änderung im EU-Pflanzenschutzmittelrecht darf Backpulver nicht mehr gleichzeitig als Grundstoff, also Lebensmittel, und als Pflanzenschutzmittel im Weinbau angewendet werden. Deshalb ist Backpulver unlängst von der Lebensmittelliste auf die Positivliste mit den zugelassenen Behandlungsmitteln für den Bio-Weinbau gerutscht, was deutlich präzisere Vorschriften in Bezug auf dessen Herstellung, Reinheit und Kontrolle nach sich zog. Die Folge war eine merkliche Preiserhöhung für Backpulver, vielleicht auch Lieferengpässe, was zu Beschwerden der Winzer führte. Dadurch kam das Backpulver ins Gerede.
Ein Ausweg: PIWI-Sorten
Bereits um den 1. Weltkrieg kam man auf die Idee, Reben der neuen Welt, die offensichtlich gegen diese Pilze resistent sind, sonst würde es diese Reben dort nicht mehr geben, mit unseren europäischen Reben zu kreuzen. Das Ergebnis waren deutlich pilzwiderstandsfähigere Rebsorten – daher der Gattungsname PIWI. Diese PIWI-Sorten benötigen deutlich weniger Schädlingsbekämpfung, nicht nur gegen den genannten Oidium-Pilz, sondern auch gegen weitere Schädlinge. Es ist ein echter Fortschritt! Inzwischen gibt es viele PIWI-Sorten und schon reichlich Erfahrung sowie sehr gute Weine. Zu den bekannteren PIWI-Sorten zählen z.B. die weißen Souvignier Gris, Cabernet Blanc oder Solaris mit sehr guten Weinen, die es wert sind, noch mehr entdeckt zu werden. Auch Rote PIWI-Sorten sind im Kommen, wie z.B. Cabernet Cortis oder Pinotin mit ebenfalls sehr guten Rotweinen. Döring: „Die EU Biowein-Verordnung ist gut, treibt aber auch Blüten.“
Text: Dieter Simon, Herausgeber und Chefredakteur bonvinitas. Fotos im Header, Brotteig: Pixabay; Rebzeile mit Blumen: franky2010 - stock.adobe.com

