Vom Schnaps zum Edelbrand
Die Frucht im Glase
Ein Betrieb, der mittlerweile ganz oben angekommen ist, ist die Hausbrennerei Baumgartner in Oberbergen im Kaiserstuhl. „Brennen ist Passion, ist Lust und Leidenschaft.“ Hört sich an wie ein Schlagwort, ein Slogan wie er oft zu Werbezwecken verwendet wird. Nicht so bei Fridolin und Anneliese Baumgartner von der Hausbrennerei Baumgartner in Oberbergen im Kaiserstuhl. Dort wird besagter Spruch mit Leben gefüllt. Seit 1983 widmen sich die Beiden dem Brennereihandwerk. Tradition, Innovation und die stetige Suche nach dem Besonderen sind dabei ihre Antriebsfeder. Beide stellen sich Jahr für Jahr der Herausforderung, die Aromen und den Geschmack der Früchte im Glas schmeckbar zu machen. Dies geschieht mit Ehrgeiz, dem Drang zur Perfektion und in stetem Einklang mit der Natur. Grundstock für die charaktervollen, individuellen Brände sind die Auswahl und der ideale Reifegrad der Früchte, eine optimale Vergärung und ein schonender Brennvorgang. Mit der sorgfältigen Abtrennung des Herzstücks jeden Brandes wird ein weiterer Grundstein für die Qualität der Destillate gelegt. Die entsprechende Lagerzeit verleiht den Bränden dann die nötige Reife.
Der Weg zum besten Edelbrenner Deutschlands
Mittlerweile verfügen die Baumgartners über einen großen Erfahrungsschatz und spielen schon seit vielen Jahren in der „Championsleague“ der Edelbrenner. Nationale und internationale Prämierungen sind der Beweis für höchste Qualität der erzeugten Produkte. Dabei ist es jetzt müßig darüber zu streiten, ob es sich bei der Destillata um die Europa- oder gar die Weltmeisterschaft der Edelbrandprämierung handelt. Festzuhalten gilt; sie ist eine der wichtigsten Veranstaltung dieser Art in Europa. Wer dort aufs Treppchen kommt, versteht sein Handwerk. Seit 2001 ist die Hausbrennerei Baumgartner bei der „Destillata“1) mit beständig guten Platzierungen im europäischen Spitzenfeld vertreten. In diesem Jahr wurde ihr neben der Auszeichnung „Edelbrenner des Jahres in Bronze“ auch der Titel „Nationensieger des Jahres“ (Deutschland) verliehen. Und dies nicht zum ersten Mal. 4 Edelbrände wurden als „Edelbrände des Jahres“ ausgezeichnet. Zusätzlich gab es 3 Gold-, 11 Silber- und eine Bronzemedaille.
Obstbrände trotzen dem Zeitgeist
Auch bei den „Craft Spirits“ 2020 in Berlin, einem der angesagtesten internationalen Wettbewerbe im Spirituosengenre, wurde die Hausbrennerei als „Craft Distillery of the year“ mit GOLD ausgezeichnet; und dies bereits zum dritten Mal. Außerdem wurde ihr Williamsbrand als bester Brand der Kategorie Obstbrände prämiert. Dass gerade die traditionellen Brände ausgezeichnet wurden, freut Fridolin Baumgartner besonders, liegt doch seine Stärke beim Brennen von Steinobst. „Wir können und wollen nicht mit den großen Brennereien konkurrieren, die dem Zeitgeist entsprechend, Gin, Whisky, Rum usw. herstellen. Wir sind eine kleine bäuerliche Brennerei, die sich auf Obstbrände spezialisiert hat; und dies bewusst“, so die klare Aussage von Fridolin Baumgartner.
Was die Baumgartners von vielen Kollegen unterscheidet ist, dass sie nicht nur über sogenannte „Aushängeschilder“ verfügen und das danach dann nicht mehr viel kommt. Im Gegenteil. Das hohe Niveau wird erst deutlich, wenn eine ganze Kollektion ausgezeichnet wird.
Vom Tresterbrand zum Orangengeist
Am Anfang brannten sie nur Trester. Nach und nach kamen weitere Sorten hinzu. Heute umfasst das Sortiment der Oberbergener Hausbrennerei rund 30 verschiedene Produkte. Neben den traditionellen Sorten findet man auch Ausgefallenes wie z. B. einen Bärlauchgeist, einen Speierlingsbrand und sogar einen Orangengeist in der breiten Angebotspalette. Nicht abgehoben oder dem Mainstream untergeordnet, sondern geerdet und der Heimat verbunden. Dies wird durch die folgende Aussage von Anneliese und Fridolin Baumgartner besonders deutlich. „Der Erhalt und die Pflege der Streuobstwiesen liegt uns am Herzen. Dies, und um unsere Leidenschaft für das Brennereihandwerk in unseren Bränden zum Ausdruck zu bringen, erfüllt uns jedes Jahr aufs Neue mit großer Freude.“ Alle diese Produkte können in der Probierstube, die Platz auch für Gruppen bis 40 Personen bietet, verkostet werden. Selbstverständlich kann man den Baumgartners beim Brennen auch mal zuschauen. Jeder ist dort herzlich willkommen. Dass nicht nur das Produzieren, wie Anneliese Baumgartner meint, großen Spaß macht, sondern auch das Trinken dieser hochwertigen Produkte, wissen nicht nur die vielen Privatkunden. Mittlerweile verkaufen die Baumgartners ihre Produkte in ganz Deutschland. So sind diese Edelbrände in der Gourmetabteilung diverser Kaufhäuser genauso vertreten wie in der Sternegastronomie. Auch ich habe einige Brände probieren dürfen. Hier ein paar Degustationsnotizen:
Weinhefebrand aus Grauburgunder 45% Vol.
Regen fällt auf staubtrockene Straße. Ein Quell springt aus hartem Felsgestein. Mineralität pur. Eine wunderschön herausgearbeitete Hefearomatik mit unerhörter Dichte und Präsenz und doch voller Feinheiten und erstaunlicher Harmonie beglückt die Nase. Der kühle Blick der Leidenschaft. Ein Hauch von Arroganz, aber wehe wenn wir uns auf diesen Brand einlassen. Er nimmt nicht nur den kleinen Finger. Er packt uns mit Haut und Haaren. Er schleicht sich an wie eine Katze, fast kann man das Schnurren hören. Er lullt uns ein, schmiegt sich an. Aber er kann auch seine Krallen ausfahren und kann fauchen. Ein Brand nicht nur für Katzenliebhaber.
Orangengeist 40% Vol.
Hier gilt kein rechts und links, kein oben und unten, nur ein mittendrin. Der Pfeil ist aufgelegt, das Ziel ist anvisiert. Der Bogen wird gespannt. Immer stärker strafft sich die Sehne. Bevor sie zerreißt schnellt der Pfeil ab. Die Spannung löst sich. Mitten ins Schwarze. Jubel brandet auf. Der Kandidat hat 100 Punkte. Nicht in Häppchen, nicht irgendwann, nein alles, sofort und pur. Es ist wie eine Riesenwelle die über einen schwappt. Eine Welle die nach Campari-Orange , Feuerstein, Menthol, Orangen- und Mandarinenschale schmeckt. Die uns mit Gewürzen wie Anis, Ingwer, Pfeffer, und köstlichen Nuancen nach Jasmin, Rosenwasser und Veilchen überschwemmt. Am Ende steht man da mit verklärtem Blick und denkt: „Mein Gott, was war das?“
Kirschwasser 43% Vol.
Text: Horst Kröber; Fotos: PR