Vorneweg für Nicht-Insider: Bislang dürfen Reben in der gesamten EU nur auf genehmigten Rebflächen gepflanzt werden. Das heißt im Wesentlichen dort, wo vorher schon Reben standen. Neue Flächen werden so gut wie nicht genehmigt. Kurz gesagt, das ist eine Marktregulierung und nennt sich Anbaustopp. Die Abschaffung bedeutet, man kann von Sizilien bis zum Nordkap überall Reben pflanzen, und den Wein dann verkaufen. Was das für den Weinmarkt bedeutet, insbesondere für die Winzer, die teuer auf Steillagen produzieren, lässt sich nur ahnen. Doch es bieten sich für die Winzer auch Chancen – mehr dazu unten.
Nun soll der Anbaustopp fallen, und die Winzer sind entsprechend aufgescheucht. Sie können aber nicht ja oder nein diskutieren, denn die Abschaffung ist längst beschlossen, und zwar schon 2007. Mit allen Verlängerungstricks tritt sie spätestens 2018 in Kraft. Das ist Fakt, brachte es Erik Schweickert, MdB (FDP), bei seinem Vortrag am 22.8.2012 bei den Oberkircher Winzern in Erinnerung. Man muss also einen bestehenden EU-Beschluss kippen, wenn man den Anbaustopp erhalten will. Das sei viel schwieriger und bedarf einer qualifizierten Mehrheit von 255 Stimmen. 15 von 27 EU-Staaten seien zwar dafür, die Abschaffung rückgänging zu machen, es reiche aber nicht zur Mehrheit, und diese sei vorerst nicht in Sicht, da größere Staaten mit größerer Stimmenzahl, wie Groß-Britannien und Polen sich verweigern. Er, Schweickert, und der Pfälzer Norbert Schindler, CDU, seien die einzigen Winzer im Bundestag, die sich gemeinsam intensiv für den Weinbau einsetzten, der sonst im hohen Hause wenig Interesse fände. Zugleich ist Schweickert Professor für internationale Weinwirtschaft an der Hochschule Rhein-Main Fachbereich Weinbau in Geisenheim. Nun sucht er bei den Winzern nach Kompromissideen, um vorallem die EU-Kommisionden zu überzeugen und den Anbaustopp auf diesem Weg zu kippen. Das ist Ziel einer Vortragsreihe, mit der er durch die Lande zieht. Zugleich setzt sich die beiden Abgeordneten für eine Änderung des deutschen Weingesetzes ein, dass Weine aus Steillagen auf dem Etikett entsprechend herausgestellt werden dürfen.
Der Autor meint: Besser sich auf das Ende des Anbaustopps einstellen, als auf Wunder hoffen, auch wenn man Schweickert für sein Engagement danken muss. Billige Weine kostengünstig in der Ebene produziert konkurrieren weniger mit guten deutschen Tropfen, sondern eher mit billigen Importweinen, von denen schon heute viele auf dem Markt sind. Gerade in ausgezeichneten Steillagen mit Hingabe produzierte Gewächse zeigen viel Profil, was von Weinfreunden honoriert wird und das seit jeher. Sonst würden die Weinfreunde ja schon heute nur zu den billigen Importweinen greifen. Warum sollte sich das ändern? Je mehr einfacher Wein auf dem Markt ist, umso mehr kann man sich als engagierter Winzer profilieren. Und weiter: Seit kurzem wurde das gesamte EU-Weinrecht reformiert und europaweit angeglichen, so dass wir entsprechend dem französischen Weinrecht auch in Deutschland „Grand-Cru-Lagen“ eintragen lassen können. Nur nennen die sich etwas sperrig „geschützte Ursprungsbezeichnung“, ist aber praktisch dasselbe. Natürlich müssen die Weine entsprechend hochwertig sein und den speziellen Charakter der Lage zeigen. Warum greifen die Winzer nicht mehr danach?
Außerdem ist fast ein Viertel der deutschen Rebfläche Riesling – ein typisch deutscher Wein mit eigenem Profil, der sonst in der Welt bei weitem nicht überall so wächst, weil das Klima nicht passt. Warum sich nicht mit erstklassigen eleganten Rieslingen international hervortun? Und die müssen nicht billig sein. Dieter Simon